GESCHICHTE DES HAUSES

SELBSTBAU MIT WIEDER VERWERTETEN BAUTEILEN - EIN ABENTEUER

Nach meinen “Lern- und Wanderjahren” stand ich mit einem grossen jungen Bernhardinerhund und sechs Katzen auf der Strasse. Mit wenig Geld und ohne Job. Das war der Anfang. Wohl wissend, dass ich immer wieder Auseinandersetzungen mit Vermieterinnen und Hauseigentümern hatte, suchte ich nach einem eigenen Häuschen oder Hausteil. Dies war jedoch für mich unerschwinglich. Zufällig erfuhr ich vom Verkauf einiger Baracken, welche einem Neubau weichen mussten. Die “schönste” der Baracken war 60 m2 gross, hatte fast rundherum Fenster und – für mich als Architektin interessant – Innenwände, die sehr einfach versetzbar waren.

Frühjahr 1980: Baracke am alten Standort

Jede Woche die Wohnung im Grundriss neu gestalten? Das war eine der Illusionen, welche ich aus praktischen Gründen schnell verlor. Die andere Illusion war, dass ich eine in Einzelteile zerlegbare Baracke als Provisorium irgendwo aufstellen dürfe. Ich hatte die Baracke schon für CHF 2000.- gekauft, als ich einsehen musste, dass ich diese nur auf Bauland stellen kann. Da hätte ich noch Abschied nehmen können vom Traum "Wohnen in der Baracke". Aber ich wusste ja nicht, dass nun für viele Jahre die Weichen meines Lebens gestellt wurden. Viele Jahre mit harter Arbeit, beachtlichen Risiken und Geldproblemen. Aber es war auch eine Zeit voller Pioniergeist, Kreativität und Freude.
In der Nähevon Basel suchte ich nach günstigem Bauland und wurde fündig in Hochwald, einem ehemaligen Bauerndorf in 15 Kilometer Entfernung von der Stadt Basel. Mittellos wie ich damals war, suchte ich bei Eltern und Freunden nach kleinen Darlehen und konnte tatsächlich das nötige Eigenkapital aufbringen, um das Bauland zu kaufen. Auf normalem Bauland zu bauen hiess auch, gesetzeskonform zu bauen. Als erstes musste - ganz entgegen meinen Vorstellungen - ein Luftschutzkeller und damit auch ein Keller erstellt werden.

Frühjahr 1981: Keller und Fundamente

Bald musste ich einsehen, dass ich mein Vorhaben nicht nur mit Hilfe von Freunden und Familie selbst bauen kann. Also musste ich einen Baukredit aufnehmen. Leider war es schwierig, für ein ungewohntes Projekt eine Bank zu finden. Zudem waren die Zinsen damals erschreckend hoch.
Im Umgang mit Geld sehr zurückhaltend, wollte ich mein Risiko klein halten. Ich versuchte daher, auf dem Bauland mehr Wohnraum zu schaffen, als die Baracke bot. Das grössere Haus könnte später mit andern Leuten geteilt werden. Da die Baracke ja ein Dach hatte, sollte sie in den ersten Stock gehoben werden. Darunter plante ich ein gemauertes Erdgeschoss.

Sommer 1981: Die Mauern des Erdgeschosses

Hinzugefügt wurde ein Anbau mit dem Treppenhaus, der Werkstatt und einem Zimmer mit Terrasse auf der einen Seite und ein Wintergarten auf der andern Seite des Hauses.

Rohbau

Rasch waren einige Handwerker im Ort bereit, mir neben ihren grösseren Aufträgen zu helfen. Da musste ich aber schon wieder von einer Illusion Abschied nehmen: der Bauboom war anfangs der 80er Jahre so gross, dass die Handwerker nie für mich Zeit hatten. Immerhin war die Baugrube schon ausgehoben. Da hörte ich immer mal wieder: "Wir kommen frühestens in 6 Wochen. Aber wir können Dir das Material liefern und Dir zeigen, wie es geht, es ist ganz einfach und Du bist ja Architektin".

Mit vereinten Kräften entstanden sehr langsam und mit beträchtlichen Schwierigkeiten Fundamente, Keller, Luftschutzraum und die Mauern des Erdgeschosses.

Sommer 1981: Die Baracke steht nun als erstes Obergeschoss

Die vierte Illusion war, dass das Haus innert kürzester Frist dastehen würde, weil das Obergeschoss ja ein fertiger Bauteil war. Es dauerte nämlich ein Jahr, bis die Baracke auf den Unterbau gestellt werden konnte.

Da ging ein Aufschrei des Entsetzens durch das Dorf, weil das neue Gebilde nicht sehr schön aussah. Glücklicherweise hatte ich die Unterstützung des damaligen Baupräsidenten. Er konnte die Leute beruhigen, dass die Baueingabe korrekt gelaufen und dass das Haus noch lange nicht fertig sei.

Wegen der Bauverzögerung hatte ich eine Teilzeitarbeit aufnehmen müssen; Ich konnte es mir nicht erlauben, vom Baukredit zu leben. Um den Kredit für Spezialhandwerker (z.B. für Sanitär, Elektro, Heizung) zu sparen, machten wir im Rohbau fast alles selber. Glücklicherweise war mein Vater handwerklich sehr begabt und besass viel Werkzeug, Maschinen und vor allem Geduld.

Sommer 1981: Vater bei der Arbeit

Langsam wurden mir die Vorteile des Selbstbauens bewusst. Ich musste mich zwar an meine von der Baukommission bewilligten Pläne halten. Aber im Innern wagte ich einige Korrekturen. So war beispielsweise das geplante Treppenhaus zu eng und für den Selbstbau zu kompliziert. Weil wir selbst bauten, konnten wir das noch verbessern.

Sommer 1981: Anbau mit Eingangspartie(links), Treppenhaus sowie Zimmer und Werkstatt

Die Nachteile zeigten sich vor allem in der Ermüdung. Wir waren schon 2 Jahre am Bauen und das Ende war nicht in Sicht. Dazu kamen Probleme mit der Bank; deren Direktor war entrüstet, da das "Gebilde" nicht seinen Vorstellungen eines Einfamilienhauses entsprach (er kündigte mir später kurzerhand die Hypothek). Auch die Koordination der Handwerker machte mehr Schwierigkeiten als angenommen. So mussten wir zum Beispiel lernen, alleine ein Gerüst zu bauen, das den Sicherheitsanforderungen entsprechen musste.

Frühling 1982: Südostfassade mit Gerüst zum Dachdecken mit wieder verwendeten alten Biberschwanzziegeln

Wegen des Geldproblems hatte ich begonnen, gebrauchtes Baumaterial zu sammeln. Bei verschiedenen Abbruchfirmen wurde ich langsam bekannt. Sie erlaubten, dass ich Bauteile ausbaute. Die Unternehmer waren sogar froh, wenn ich möglichst viel Material mitnahm - sie mussten dann weniger Entsorgungsgebühr bezahlen.

Winter 1983: Wintergartenblieb zwei Jahre ohne Fenster wegen eines Missverständnisses.

Alte Bauteile haben ihre Tücken. Ich hatte einen ganzen Lastwagen mit alten Fenstern ge-schenkt bekommen. Leider hatte ich die Handwerker missverstanden und die Fenster hatten alle keine Rahmen. Ich lernte, dass Türen und Fenster ausbauen sehr arbeitsintensiv und heikel ist, da die Rahmen ja fest und winddicht eingebaut sein müssen. Sie gehen beim Ausbau meist kaputt. Der Rohbau des Wintergartens stand lange ohne Verglasung da, weil es viel zu teuer war, Rahmen zu diesen alten Fenstern schreinern zu lassen.

Bei der ganzen Bauerei hatten wir immer wieder unheimliches Glück. Eines Tages fuhr ein wortkarger, bärtiger Geselle vor und bot mir eine Wagenladung schöner Verandafenster an - mit Rahmen! Er hätte gehört, dass da jemand alte Bauteile brauchen könne... Mit wenig Aufwand konnte der Rohbau des Wintergartens den "neuen" Fenstern angepasst werden.

Auch dass all die Jahre kein Unfall passierte, war mehr Glück als Verstand.

Ausbau mit wieder verwerteten Bauteilen

Seit dem Kauf der Baracke war klar, dass der Stil und die Konstruktion des ganzen Hauses sich der Baracke anpassen sollten. Zudem mussten wir fähig sein, die Arbeit so weit als möglich selbst zu machen. Dazu eignet sich ein Holzständerbau mit einer Holzfassade ausgezeichnet. Die Baracke und alle Aussenwände wurden gut isoliert und mit Täfer verschalt.

Winter 2000: Der Wintergarten ist besser als jede noch so dicke Isolation

Das Sammeln von wieder verwendbaren Bauteilen war von einer anfänglichen Notwendigkeit zu einer erfreulichen Freizeitbeschäftigung geworden. Es gab Abbruchfirmen, welche mir beim Sammeln halfen. Eine Firma legte alle aus der abgebrochenen Hausmauer stammenden Sandsteinquader für mich nebeneinander aufs Trottoir. Ich musste nur noch einladen. Eine andere Firma ging so weit, dass sie mir Steine vom Umbau des ehemaligen Rittergasse-Schulhauses kostenlos nach Hochwald transportierte; das war immer noch billiger, als die Deponiegebühr.

Sommer 1996: Alte Bodenplatten der Firma Villeroy und Bosch

Bodenriemen, Fenster, Türen, Lavabos, es gibt kaum etwas Neues in meiner "Brockenhausvilla". Bauteil Recycling hat verschiedene Vorteile:

  • Sie entlasten unsere Deponien. Somit handelt es sich um einen umweltverträglichen Umgang mit Baumaterial.
  • Sie benötigen viel Aufwand beim Ausbauen und Reinigen, aber sie sind kostenlos.
  • Die schon ausgebauten und gereinigten Bauteile der verschiedenen Bauteilbörsen sind nicht mehr kostenlos, aber immer noch sehr günstig. Ein weiterer Vorteil ist, dass bei den Bauteilbörsen geschützte Arbeitsplätze geschaffen werden.
  • Mit genügend Geduld kann man sehr schöne Bauteile finden. Sie haben immer wieder meine Phantasie angeregt und zu kreativen Lösungen geführt.
  • Ein weiterer Vorteil ist die Qualität des Materials. Manches alte Holz ist besser, vermutlich da es sorgfältiger behandelt wurde (Wuchs, Lagerung, Verarbeitung). Viele Details sind aufwändiger und schöner, da früher das Verhältnis zwischen Arbeitszeit und Material ein anderes war.

Sommer 1996: Fenstertüren mit Doppelverglasung aus einer alten Villa

Schlechte Erfahrungen habe ich mit mehreren Banken gemacht. Sie waren sehr unflexibel und haben nicht Hand geboten zu speziellen Lösungen, auf welche ich angewiesen war. Ich bezahlte zum Beispiel während mehrerer Jahre einen horrend hohen Zins für den Baukredit. Alle Bitten, diesen teilweise in eine viel günstigere Hypothek umzuwandeln, waren vergeblich. Obwohl diese Bank sehr gut an mir verdiente, kündigte sie mir dann nach einigen Jahren die Hypothek: das Haus war offensichtlich zu unansehnlich. Die Drohung stand in der Luft, dass ich das Land und das unfertige Haus hätte verkaufen müssen, um die Hypothek zurückzuzahlen. Welch ein Drama für mich!

 

Sommer 1996: Ensemble im Badezimmer

Schwierigkeiten gab es auch mit verschiedenen Handwerkern, welche ich hin und wieder um Hilfe bat. Für sie waren meine Bauteile eher Gerümpel. Sie konnten zudem ihren eigenen Arbeitsaufwand nicht einschätzen, da sie die Offertstellung mit neuem Material gewohnt waren. Jemand weigerte sich, für mich zu arbeiten, da er nicht "Lückenbüsser" sein wollte.

Sommer 1996: Mit den überzähligen Verandafenstern lassen sich schöne Schränke herstellen

Auf dem Land war es unüblich, als Frau selbst zu bauen. Ich bekam auch zu spüren, dass einige Handwerker mich verachteten, da ihnen meine Art schäbig und überspannt vorkam. Einige Handwerker konnten mich als Frau + Architektin + Eigentümerin nicht akzeptieren. Um meine Vorstellungen durchzusetzen, musste ich oft meinen Vater zu Hilfe rufen.

Ergebnis

Nach vielen Abenteuern ist das Ergebnis für mich befriedigend. Die Bauerei und alles Drum und Dran hat sehr viel Energie gebraucht - manchmal mehr als ich hatte. Über Ästhetik kann man sich streiten - ich finde mein Haus zwar eigenwillig, aber architektonisch ansprechend.

Sommer 1996: Rippentäfer (ehemals Schallschluckelement!)

Ich wohne nun seit vielen Jahren in einem zinsgünstigen Haus mit sehr viel Wohnkomfort: zu meinem "Luxus" gehört ein doppelgeschossiger Wintergarten, eine grosse Terrasse, eine Bibliothek, eine Werkstatt, dazu der grosse Keller und verschiedene Aussenräume. Rundherum erstreckt sich ein grosszügiger wilder Garten mit Obstbäumen und einer Schafweide. Neben meinen eigenen Wohnräumen hatte das Haus eine zweite Wohnung in der Baracke, in die mein Vater gerne einzog. Nachdem mein Vater im Jahr 2004 mit 90 Jahen gestorben ist, wurde diese 3,5-Zimmer-Wohnung zu Gästezimmern.

 

"Ökobilanz" oder einige planerische Details für Interessierte

Obwohl nie eine Ökobilanz gemacht wurde, wage ich zu behaupten, dass das Haus sich in dieser Beziehung sehen lassen kann. Geheizt wird nur mit einer modernen Holzheizung (diese heizt auch das Warmwasser während der Heizperiode). Das Holz stammt vornehmlich aus dem eigenen Wald.

Das Gebäude ist nach dem Prinzip der Zwiebelschale gebaut. Alle Fenster sind doppelt verglast und werden im Winter mit zusätzlichen Vorfenstern versehen. Die gut geheizten Wohnräume öffnen sich in den Wintergarten gegen Südosten und liegen nicht an der Aussenwand. Wenig geheizte Schlafräume gruppieren sich drum herum. Zu äusserst gegen Nordwesten und ungeheizt sind das Treppenhaus, die Werkstatt und die Stauräume. Der Brunnen für das Dachwasser bewährt sich ausserhalb der Frostperiode als Speicher für allerhand Brauchwaser.

Winter 2000: Bescheidenheit zum einen, Nachhaltigkeit zum andern: Das ganze Haus wird ausschliesslich mit Holz geheizt

Das Haus hat einen ausserordentlich bescheidenen Charakter; es kann und soll nicht als Statussymbol gelten. Aber die meisten meiner Bed&Breakfast-Gäste scheinen genau das zu schätzen; einige kommen immer wieder und sind mir zu lieben Freunden geworden.

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